Husnis Füße sind geschwollen wie zwei Ballons, die Beine sind gerötet und kribbeln fürchterlich. Die kroatische Polizei hat ihn nachts zurück über die Grenze nach Bosnien deportiert, nachdem sie ihm alles weggenommen hatten, und ihn an einem Fluß ausgesetzt. Husni musste 2 Nächte bei minus 4 Grad durch Flüsse laufen, um wieder zurück hierher zu finden. Frostbrand sagt die freiwillige Ärztin, so schlimm und großflächig hat sie ihn selten gesehen.
Karim kann nicht mehr auftreten, seine Füße sind übersäht von großflächigen offenen Wunden. Langes Laufen in nassen, schweren Schuhen, die schlecht sitzen, weicht die Haut auf, scheuert sie wund, und irgendwann löst sie sich ab. Zurück bleiben Füße, die schon für uns Betrachterinnen schier unerträglich sind.
Fünf Stunden lang habe ich die freiwilligen Medizinerinnen in Velika Kladuša begleitet. In dieser Nacht haben sie über 40 Menschen behandelt und so gut es geht medizinisch versorgt. Die Menschen, deren Unterkünfte wir besuchen, sind höflich, freundlich und voller Scham, dass wir sie in diesen Umständen und in diesem Zustand sehen. In kurzen Momenten sind sie wie kichernde Jugendliche, dann stöhnen oder schreien sie vor Schmerz, wenn ihre kaputten Füße behandelt werden. Am Ende voller Dankbarkeit, die schwer zu ertragen ist. Wir behandeln in Dunkelheit und Schmutz, im Schein der Taschenlampe, die ich halte, um mich nützlich zu machen. Unser tragbares Ultraschallgerät kommt zum Einsatz, ich halte das Display, beleuchte den Bauch des jungen Mannes, der sich vor Schmerzen krümmt. Einen kurzen Moment bin ich stolz, dass unser Ultraschallgerät so hilfreich ist, doch das Gefühl wird schnell wieder von Entsetzen und Schmerz verscheucht.
Schmerzmittel, immer wieder Schmerzmittel, denn wirklich „geheilt“ kann unter diesen Umständen kaum jemand werden. Schmerzmittel und Schuhe, und Bandagen für kaputte Knie und Fußgelenke, um wieder loslaufen zu können Richtung Europa, Richtung Sicherheit: Nach Frankfurt, wo Schwester und Bruder leben, nach Bremen, wo die Eltern schon angekommen sind, nach München, wo Frau und eins der Kinder schon seit zwei Jahren warten, das andere Kind schläft unter ein paar Decken, ein kleines, müdes, altes Gesicht, während neben ihm der Vater um Schlafmittel bittet, weil er vor Sorgen und Ängsten schon seit Wochen nicht mehr schlafen kann.
Ich bin seit 10 Tagen in Velika Kladuša in Bosnien, um mit anzupacken und schell und direkt zu unterstützen, wo es geht. Ich kaufe für 1.000 € Schmerzmittel, hochdosiertes Voltaren, andere dringende Medikamente. Nach kurzer Diskussion beschließen wir, auch noch Schuhe zu kaufen, nochmal 1.000 €. Alles Tropfen auf die vielen heißen Steine, aber vielleicht werden damit die Füße von Husni, Karim und ein paar anderen ein bisschen weiter tragen.
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